A U T O B I O G R A P H I E
János Rózsás
Ich bin in der Stadt Budapest, am 6 August 1926 in einer bescheidenen Arbeiterfami-lie geboren. Ich war kaum acht Jahre alt, als unsere Familie hat am Anfang des dreißigen Jahres – vor der auf die Gesellschaft unerträgbar lastenden Arbeitslosigkeit – aus der Hauptstadt Ungarn in eine kleine Grenzstadt des Landes, nach Nagykanizsa übersiedelt, und wir haben für uns dort ein endgültiges Heim gefunden.
Ich habe meine Schulstudien einstweilen im Jahre 1940, nach der achtklassigen Volksschule aufgehört. Obwohl ich war ein Vorzugsschüler, trotzdem mußte ich in Inte-resse des Unterhalts der Familie als 14 jährige Junge an die Arbeit gehen.
Ich wurde bei der hiesigen Elektrizitätswerke als Hilfsbeamte aufgenommen. Ich habe nach zwei Jahren in einem in der Nähe der Stadt befindlichen Dorf in einem Umkreisnota-riat den Posten des Schreibers erworben. Ich bin im Sommer 1944, wegen der Kriegsge-schehnisse in meinem Elternhaus zurückgekehrt (mein Vater war damals schon am Ost-front im Rußland). Ich habe bei der Erdöl-Aktiengesselschaft die Stelle des Sekretärs im Büro des Hauptingenieurs bekommen.
Im Herbst 1944, im letzten jahr des Zweiten Weltkrieges wurde ich, wie andere unga-rische Jugendlichen meiner Alte – ausser der Reihe auf Militärdienst mobilisiert. Unsere Einheit wurde militärisch fast unausgebildet bald an den Front kommandiert.
Ich bin mit meiner Gruppe am 22 Dezember 1944 in der Umgebung des Plattensees bei Sowjets in Kriegsgefangenschaft geraten. Die Sowjet Militärabwehr hat unsere – aus jungen Halbwüchsigen zusammengestellte - Gruppe gleich verhaftet. Wir alle wurden am Amfang 1945 mit der Beschuldigung als Kriegsverbrecher auf Zwangsarbeit verurteilt. (“Wir haben als junge, noch nicht wehrpflichtige Burschen, freiwillig an der Seite der faschistischen Mördern gegen Sowjetunion gekämpft”, - so hieß die Anklageschrift.)
Ich selbst wurde vom Kriegsgericht der 3. Ukrainischen Front am 6. Februar 1945 auf zehn Jahre Verbesserungsarbeit in Zwangsarbeitlagern - und noch dazu auf ewige Verban-nung in Sibirien - verurteilt.
Ich wurde bald nach der Verkündung des Urteils mit meinen Mithäftlingen im Last-zug nach Sowjetunion, in das Odessaer Gefängnis transportiert. Ich bin nach dem Sani-tätssperre, im Monat April 1945 in die ukrainische Stadt Nikolajew in einem Arbeitslager gelangen. Ich wurde nach einigen Monaten in Umkreis der Stadt Cherson mit einem Sträf-lingstransport verschleppt, das grausame Sklaveleben in einem anderen Arbeitslager fort-setzen.
Ich wurde dann im Herbst 1946 mit einem grössen Häftlingstransport in die Urwälder des Nord-Urals deportiert, zur Abholzungsarbeit. Ich bin in den gräßlichen Umständen, - wegen der ständigen Hungersnot, rauhes Klimas und grausamer Behandlung von den Trei-bern – mehrmals in Lebensgefahr geraten, aber glücklicherweise trotz alledem doch im Le-ben geblieben.
Ich wurde im Frühling 1949 wiederum weiterdeportiert, diesmal nach Asien, wiede-rum in Lastwaggons mit tausenden Mithäftingen zusammen. Wir sind in Nordkasachstan, in Umgebung Stadt Karaganda angekommen. Ich habe dort in den ersten Zeiten in einem grossen Steinbruch gearbeitet. Man hat mich im September 1949 mit tausenden anderen Häftlingen in Ortschaft Ekibaschtus, nicht weit vom Fluß Irtisch, im Gebiet der Stadt Pawlodar transportiert. Hier, in der Öde der Hungersteppe wurde eine neue Stadt, eine Bergbaustadt gegründet und aufgebaut. Die Geologen haben dort eine reiche Steinkoh-le-Fundstelle erschürfen. Ich habe auf Bauarbeiten gearbeitet, anfangs als Erdarbeiter, dann Maurer, später als Zimmermann und Verputzarbeiter, endlich als Hilfsarbeiter in einem Ei-sengießwerk.
Ich habe in diesem Lager, welche funktionierte mit verschärftem Regime, als ein spe-zielle, politische Gefängnislager, fast vier Jahre von meiner Haft verbracht. Wir haben uns in diesem Lager mit Alexander Solschenizyn befreundet. Obwohl er war damals noch nur ein Mittelschule-Lehrer, aber er war zwischen uns ein auffällige Mann von Bildung.
Im Monat März 1953 ist der Diktator Stalin unerwartet gestorben. Seine Nachfolger in der Macht haben für einen Teil der inhaftierten Ausländer noch im selben Jahr Amnestie gewahrt. So konnte ich mit einer Partie aus meinen im Leben gebliebenen Landsleute, nach meiner neunjährigen Sklaverei, in Monat Dezember 1953 nach Ungarn heimkehren.
Ich konnte in der Heimat unter dem kommunistischen Regime nur nach vielen Schwierigkeiten endlich eine bescheidene Stelle als Buchhalter am anfangs 1954 bekom-men. Ich habe während der folgenden Jahre mein früher unterbrochene Studium fortgesetzt und die Handelsschule absolviert, verschiedene finanzielle Fachprüfungen abgelegt. Aus-serdem ich wurde offizielle Dolmetscher auf Deutsch und Russisch.
Ich habe nach meiner Heimkehr aus Sowjetunion binnen eines Jahres geheiratet, und wir haben mit meiner Frau in unserer Familie drei Kinder – zwei Söhne und Tochter – auf-gezogen.
Vom Jahre 1970 bis 1983 arbeitete ich in Möbelfabrik KANIZSA, in der Finanzabtei-lung und gleichzeitig als deutsch-russischer technischer Dolmetscher. Leider ich mußte in Jahren von 1974 bis 1989 wegen meiner freundlichen Beziehungen mit Schriftsteller Sol-schenizyn von den ungarischen und sowjetischen Geheimdienste viele Verfolgungen ge-duldet. Infolgedessen meine, schon in früheren Zeiten beschädigte Gesundheit hat sich wesentlich verschlechtert. Ich wurde im Jahre 1983, in Alte 57 Jahre ärztlich als Invalid erklärt und frühzeitig pensioniert. Vom Jahre 1984 bis 1991 arbeitete ich schon als Pensio-när als vertraglicher technischer Dolmetscher in der Brauerei KANIZSA.
Ich habe nach dem Jahr 1991 schon kein Arbeitsverhältnis abgeschlossen, sondern nur meine schriftstellerische und forschungshistorische Tätigkeit fortgeführt.
Ich habe gleich nach dem Heimkehren in die Heimatstadt Nagykanizsa in den Jahren 1953-1955 heimlich auf Verewigung meiner Lagererinnerungen gearbeitet. Ich habe ganz ausführlich meine Memoire geschrieben, aus dem Gedächtnis mit vielen Namen und Daten dokumentiert. Ich habe dieses Tagebuch selbstverständlich in jenen Zeiten streng verheim-licht und versteckt.
Ich habe in den Sechzigen Jahren aus diesem Tagebuch die Erinnerungen über Lager Dolgaja des Nord-Urals bezüglich der Jahren 1946/1947 mit dem Titel “Schwester Dusja” literarisch bearbeitet, aber ich habe damals keinen Verlag gefunden, welche bereit wäre ausgeben.
Im Jahre 1974 ist weitere Folge in meiner schriftstellerischen Tätigkeit eingetreten. Alexander Solschenizyn wurde in Februar 1974 aus Sowjetunion wegen seines Werkes “Archipel der Gulag” ausgewiesen. Dann wurde ich von den entsprechenden sowjetischen Instanzen aufgefordert, dass ich schreibe meine Lagererinnerungen in solchem Sinn, dass in den Lagern war nicht so schlimm, wie mein Freund in seinen Werken das Lagerleben schildert. Mein Buch wird erstens in Italien veröffentlicht. Man hat mir ein hohe Honorar zugesagt. Ich war nicht bereit dieses offenbar lügnerisches Buch nach tendeziöser Absicht niederschreiben. Ich habe dann unter Druck mein Buch trotzdem geschrieben, aber nur die grässliche Wahrheit, welche wurde von den “Auftraggebern” nicht akzeptiert.
Ich möchte alle Schwierigkeiten, die viele Unbilden und Verfolgungen seitens des sowjetischen und ungarischen Geheimdienstes bezüglich meiner Memoiren nicht schildern. (Ich wurde gesundheitlich Invalid geworden!) Ich sage nur: meine entrüstend zurückge-wiesene Arbeit ist in geheimnissen Umstaenden unerwartet am Westen aufgetaucht. Der Literaturhistoriker Gyula Borbandi hat die Manuskripte meiner Lagererinnerungen im Jahre 1982 wohlgesinnt und hilfsbereit angenommen und zum erreichen der Druckerschwarze verholfen. Der erste Band ist im Jahre 1986 in München in seiner Redaktion auf Ungarisch herausgekommen, und tragt den Titel: “Bittere Jugend”. Der zweite Band, die Fortsetzung tragt den Titel: “Belebende Hoffnung”, und es ist im Jahre 1987 veröffentlicht ebenso in München.
Dann ist die Zeit der politischen Wandlungen eingetreten, und man konnte auch in Ungarn im Jahre 1989 meine Memoiren publizieren. Der Szabad Ter Verlag (Direktor Koltay Gabor) hat in Budapest in zwei Bänden mit dem Titel “Bittere Jugend I-II.” her-ausgegeben.
Meine andere Erinnerung mit Titel “Schwester Dusja”, geschrieben in den Sechzigen Jahren, wurde in Nagykanizsa im Jahre 1995 bei dem Verlag Czupi, in Redaktion des Di-rektors der Nagykanizsaer Bibliothek Gyula Czupi herausgegeben.
Der Buchverlag Püski Budapest hat die dritte Publikation “Bittere Jugend – Beleben-de Hoffnung” im Jahre 1999 mit neuer Redaktion veröffentlicht, weil von den Lesern war stets ein grosse Anspruch um dieses Buch entstanden.
Die Manuskripte meiner Erinnerungen sind auch auf Russisch übersetzt, und meine Werke der russischen Leser sehr gefallen, und auch die Verlage haben Interesse für Her-ausgabe meiner Bücher. Die Lage ist vorläufig leider wegen Geld- und Papiermangel in Russland nicht dazu entsprechend, dass man die Publikation im Balde verwirklichen könn-te.
Mein jüngere Sohn hat den Text “Schwester Dusja” auf Deutsch übersetzt, und deut-sche Literatoren haben grammatisch lektoriert. Die deutsche Verlage haben bisher das An-gebot für Herausgabe zurückgewiesen. Sie sagen – was will ich nicht glauben! - die deut-sche Leser haben keine Interesse für solche Werke. Es ist für mich eine rätselhafte und be-leidigende Stellungnahme.
Ich habe in den vergangenen Jahren mit der historischen Forschung des Schicksals der ehemaligen ungarischen Zwangsarbeiter in sowjetischen Lagern ununterbrochen sich be-schäftigt. Ich habe mich bei meinen ehemaligen Kameraden oder bei der Verwandten der Gestorbenen oder Hingerichteten über die Tatsachen und Beweismaterialien erkundigt. Ich habe dann aus der mehr tausende Ergebnisse dieser Forschungen ein sogenannte LEXI-KON GULAG zusammengestellt, wo ich habe mehr als 4000 Häftlingsschicksale, - mit vielen Dokumenten unterstützt, - in ABC-Ordnung verarbeitet.
Ich habe im Jahre 1994 den redigierten Text des Gulag Lexikons und die diesbezügli-che Dokumentationen im Staatlichen Szechenyi Archiv, unter meiner Name eröffneten Fond für Bewahrung in der Manuskriptsammlung übergeben. Ich habe die zweite Doku-mentationsmenge im Jahre 1998 bei dem Archiv abgegeben. Der Buchverlag Püski Buda-pest hat den GULAG LEXIKON im Jahre 2000 gleich nacheinander in zwei Auflagen veröffentlicht, weil so grosse Interesse ist für diese Arbeit von den Lesern entstanden.
Der Buchverlag CANISSA hat in Nagykanizsa die zweite Serie aus “Schwester Dus-ja“ im Jahre 2001 herausgegeben, weil wiederum ist eine grosse Nachfrage bei den Lesern entstanden.
Ich arbeite heutzutage mit dem Entwurf eines neuen Buchs, in welchem möchte ich das Schicksal der ungarischen Jugendliche während Ende des zweiten Weltkrieges bear-beiten, wann sie waren unausgebildet, fast unausgerüstet an den russischen Fronten ein-gesetzt. Ich will ihre Tragödie (Heldentod und Gefangenschaft) für die neue Generationen glaubwürdig bekannt zu machen.
Ich bekomme viele Einladungen in den Mittel- und Hochschulen, bei verschiedenen Kulturverbanden überall im Lande um Vortäge zu halten. Ich auftrete auch in Radio und in Fernsehen, mit Interviews, Vorträge und Gespräche. Meine Artikel, Essays und Erzählun-gen erscheinen in Zeitschriften. Meine Heimatstadt hat mich im Jahre 1993 als “Ehrenbür-ger der Stadt“ ausgezeichnet. Ich wurde jüngstens, im Januar 2003 als “Ehren- bürger des Komitats Zala“ ausgezeichnet. Ich habe verschiedene Auszeichnungen bekommen, die letzte wurde im Jahre 2001 von Herrn Staatspresident überreicht: das Ritterkreuz des Ver-dienstordens der Ungarischen Republik.
Nagykanizsa, den 6 Februar 2003.
Janos Rozsas
Ehem. GULAG-Häftling No. SCS 43